Sonntag, 9. Dezember 2012

Mein Vater und der Abschied... immer noch...

Ich weiss, den Titel gabs schon mal, jedenfalls so ähnlich. 3 Monate ist es nun her, auf den Tag genau, dass mein Vater auf seine letzte Wanderung gegangen ist. Aber das mit dem Abschied ist noch lange nicht vorbei. Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauern kann, dieses Abschied nehmen. Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass 3 Monate rein gar nichts sind in Sachen Abschied nehmen. Eigentlich hatte ich mir gar nichts vorgestellt. Ich hatte bisher das grosse Glück nie jemanden aus meinem näheren Umfeld zu verlieren. Natürlich hatte auch ich miterlebt wie meine Grosseltern starben, oder auch eine gute Freundin. Allerdings war diese Freundschaft schon länger nicht mehr so intesiv, weshalb ich zwar sehr traurig war dass sie starb, auch an diesem Scheiss-Krebs übrigens, aber ich vermisste sie nicht in meinem Alltag, genau so wenig wie meine Grosseltern. Oder meine Onkels. Oder meine Tanten. Natürlich war ich traurig, aber ihr Tod beeinflusste meinen Alltag nicht. Beim eigenen Vater läuft da aber dann ganz was anderes ab. Seit 3 Monaten beschäftigt mich dieser Abschied. Lassen wir mal den ganzen administrativen Kram bei einem Todesfall weg (meine Güte, ich darf mir nicht vorstellen wie der Göttergatte eines Tages, so circa in 93 Jahren, da stehen wird, sollte ich das Zeitliche segnen, der Arme wäre hoffnungslos überfordert mit dem ganzen Bürokram. Sterben ist eine riesige administrative Aufgabe, im Fall!), aber das ganze gefühlsmässige Abschied nehmen, DAS nimmt einen in Anspruch! Planen Sie also viel Zeit ein, sollten Sie sich jemals mit so was befassen müssen.

Ich habs nicht so mit Friedhöfen. Ich sehe zwar da das Namensschild, mit dem Namen meines Vaters drauf. Er wollte eine Beisetzung ins Gemeinschaftsgrab, das wie ich finde sehr hübsch ist, soweit man hübsch in Verbindung mit einem Friedhof nennen kann. Es handelt sich hierbei um einen grossen Kreis, in der Mitte Rasen, wo jeweils die Aschen verstreut werden (in ein Loch, keine Angst, wir streuen hier nicht einfach wild  um uns), rundherum ein kleines Steinwegchen, auf dem Blumen hingestellt werden können. Der geschlossene Kreis des Lebens. Und sicherlich "ist" irgendwo in der Nähe in diesem Kreis jemand aus dem Dorf, den man kannte. Bäume und ein Bänkchen, mit einer Aussicht, naja, wie sie halt von unserem Friedhof aus ist. Er ist erhöht auf einem kleinen Hügel, wie auch die Kirche, und die Aussicht ist nicht ganz wie ab dem Jungfraujoch, aber für Mittellandverhältnisse sehr schön. Alles in allem also eigentlich recht angenehm, aber ich finde dort oben keine Verbindung zu meinem Vater. Ich starre das Namensschild an, ertappe mich dann aber jeweils dabei, wie meine Gedanken abschweifen, oder ich das Namensschild daneben lese oder überlege, ob ich danach gleich noch in den Coop einkaufen gehe (Sie fahren den Friedhofshügel runter und wenn sie nicht links oder rechts abbiegen, dann fahren Sie geradewegs in den Coop, weshalb der Gedanke irgendwie naheliegend ist). Jedenfalls entspricht der Besuch eines Friedhofs bei mir einfach nicht dem "Gedenken" an einen Menschen, das klappt bei mir nicht. Aber ich denke jeden Abend, wirklich jeden !! vor dem Einschlafen an meinen Vater. Ich stelle ihn mir jeweils vor, sehe ihn wieder vor mir, in erlebten Situationen, das ist meine Art des Gedenkens. Ich hock halt nicht auf dem Friedhof. Fotos anschauen kann ich mir auch noch nicht, obwohl das jetzt 3 Monate her ist. Es schmerzt noch zu sehr. Vielleicht sollte ich es mal in Angriff nehmen, aber zur Zeit liegts irgendwie gefühlsmässig noch nicht drin.

Und wenn Sie jetzt denken, boah, das ist aber was, dann sollten Sie mal die Gefühlswelt meiner Mutter auseinanderpflücken. Uebrigens auch der Grund wie ich zu diesem Blogeintrag kam. Heute gabs bei uns zum Znacht Fondue, und als der Göttergatte meine Mutter, die heute nachmittag voller Freude meine Wäsche zusammenlegte (Hauptsache sie musste nicht alleine zu Hause hocken...), fragte, ob sie denn nicht zum Essen bleiben wolle antwortete diese voller Freude und Erleichterung mit "Ja". Als mein Vater noch lebte kamen meine Eltern allerhöchstens einmal pro Jahr zum Znacht. An Weihnachten. Da kamen sie irgendwie nicht drumherum. Ansonsten war die immer gleiche Antwort "Wir essen ja nie Znacht, also danke, aber nein danke". Und heute spürte ich wie sie einfach nur erleichtert war, einen Abend nicht alleine zu Hause verbringen zu müssen. Sie verbringt ja sonst schon zu viel Zeit alleine, und das obwohl ich sie 2x die Woche zum Zmittag einlade, und sicher einmal die Woche etwas mit ihr unternehme, in die Stadt gehe, Birrenweggen backe (nächsten Mittwoch!) oder sonst irgendwas damit der Tag für sie vorübergeht. Sie geht mir Freundinnen, mit der Nachbarin, sogar mit der Pro Senectute auf Spaziergänge, Wanderungen, zu Weihnachtsessen und was weiss ich noch was. Aber abends und am Sonntag, da macht ihr die Einsamkeit zu schaffen. Manchmal mehr, und manchmal weniger. "Er fehlt halt einfach" ist so in etwa ihre regelmässige Standardaussage. Ich verstehs, ich vermisse ihn auch, und ich habe nicht mal meinen Alltag mit ihm geteilt, mit Ausnahme des Dienstages, an dem die beiden jeweils die Mädels gehütet hatten und ich immer zum Zmittag kommen durfte.

Das Abschied nehmen ist also mit dem Tod an sich noch lange nicht fertig. Das ist ein langer Prozess, wie mir scheint. Vielleicht wussten Sie es ja schon. Ich wusste es bisher nicht und erfahre es gerade jetzt. Auch eine Art Erfahrung. Eine auf die man verzichten könnte. Um die jedoch vermutlich auch keiner von uns herumkommt.




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