Donnerstag, 23. August 2012

Mein Vater, sein Denim und Kid Rock

Ich komme gerade von einem Besuch bei meinem Vater. Ich sags gleich vorneweg, ich bewundere JEDEN, wirklich JEDEN, vom Arzt über die Krankeschwester (das heisst heute gar nicht mehr so, gell? Tönt aber immer noch am sexiesten) bis zur Krankenhaus- oder Pflegeheimputzfrau. Hätte ich mit 15 jungen Jahren die Laufbahn Richtung Gesundheitswesen eingeschlagen, ich wäre hoffnungslos gescheitert. Nicht dass ich kein Blut sehen könnte, ich bin einfach ganz schlecht im Umgang mit hilflosen Menschen gewesen. Immer schon. Ich weiss, das klingt hart, herzlos und völlig unnett, aber immerhin war Ehrlichkeit schon immer eine meiner Stärken, jedenfalls in Bezug auf mich selbst, und ich finde, das hebt die Minuspunkte wieder ein wenig auf. Aber ich werde heute noch wahnsinnig und wütend, wenn meine Mutter hilflos Unterlagen und Akten durchwühlt, keine Ahnung hat wie mein Backofen funktioniert (obwohl er nicht sooo weit entfernt anders ist als der ihre) und das halbe Personal der öffentlichen Verkehsrmittel in Aufregung und Unrast versetzt um herauszufinden, wann denn IHR Bus fährt (er fährt by the way IMMER, wirklich IMMER zur gleichen Zeit, jede halbe Stunde, ausser Sonntags...). Und es macht mich rasend wenn sie bei Alltagssachen, die bisher zwar mein Vater erledigt hat, die aber mit ein bisschen Konzentration durchaus zu bewältigen wären, rumpanikt wie ein Huhn dem man den Kopf abgehackt hat. Ich kanns nicht ändern...

Es macht mich wirklich kirre wenn jemand hilflos ist, vermutlich weil die Eigenschaft "Geduld" bei meiner Geburt gerade aus war, oder die mich vergessen haben damit zu füllen. Jedenfalls war das bisher so. Anscheinend läuten die Kirchenglocken nun andere Zeiten ein, denn heute musste ich meinem Vater helfen die Hosen anzuziehen, musste ihm den Gurt zumachen (hätte ich ihm früher bei sowas zu helfen versucht hätte ich eins auf die helfenden Finger gehauen bekommen), half ihm in die Schuhe, habe für ihn Formulare ausgefüllt, habe ihm vorgekaut wo er unterschreiben müsse, habe ihm erklärt dass ich alles gelesen habe und alles in Ordnung sei (und oh Wunder, er hat sogar auf mich gehört, vertraut und ungelesen unterzeichnet...)... und ich empfand kein bisschen Aerger oder Wut oder Ungeduld dabei. Nur jahrzehntelange Liebe, Vertrauen und eine grosse Dankbarkeit... Für mein Leben, das er mir geboten hat, und auch dafür dass ich jetzt mal für ihn da sein kann. Bisher hat der grosse starke Mann meine Hilfe nämlich nie in Anspruch nehmen müssen, immer nur ich seine... Es ist schön zurückgeben zu können. Und anscheinend schlummern in mir auch noch versteckte pflegerische und geduldige Ambitionen. Nicht dass ich jetzt deswegen gleich ein Medizinstudium ins Auge fassen würde, Sie wissen ja, Jobsuche bzw. Einkommen aus Leidenschaft, aber es ist beruhigend zu wissen, auch mit solchen Situationen klar zu kommen, selbst wenn man sich dies vor Jahren noch nicht zugetraut hätte. Was muss, das muss eben!

Während ich dies schreibe, rieche ich noch immer sein After-Shave in meinem Gesicht. Ich habe mich früher auch immer darüber aufgeregt (ja, ich habe irgendwie ein ziemlich schnell erregbares Gemüt zuweilen), dass er seit eh und je und 101 Jahren das gleiche After-Shave trug. Denim. Sie wissen, Denim, die Werbung in der nie Köpfe vorkommen, auch keine Beine, nur eine Männerbrust im Jeans-Hemd und eine Frauenhand. So einfach war Werbung in den 80er-Jahren. Heute bin ich froh, hat er seit Jahrzehnten dieses eine After-Shave, denn diesen Geruch werde ich für immer und ewig mit ihm verbinden. Und sollte ich ihn irgendeinmal vermissen müssen, dann kauf ich mir schnell ein Fläschchen Denim und schnuppere daran... Dann wird so manche Kindheitserinnerung wieder aus den hintersten Hirnwindungen hervorgekrochen kommen.

So, und nun völlig off-topic und total aus dem Zusammenhang gerissen zur Aufheiterung der aufkommenden Melancholie: Schnuckelchen Kid Rock, zur Zeit auf Wunsch der Grossen wieder mal im CD-Player des Autos, und das eine, dass ich deswegen nun nicht mehr aus dem Kopf bringe und dauernd vor mich hinsumme:

Americas Bad Ass in Soft-Version...

2 Kommentare:

Maya... hat gesagt…

...frau familienwahnsinn...werden sie einfach kolumnistin oder wie die immer heissen, bei einer zeitung...aargauer zeitung oder so.... ich würde sie lesen!

Frau Familienwahnsinn hat gesagt…

jö.. danke vielmal. (leiten sie diesen kommentar doch bitte mal der az weiter... :-D leider habens die nicht so mit den kolumnisten. abgesehen davon spuckt die maz alle jahre ganze viele journis aus... ungelernt wird sowas eben schwieriger... aber ja, es wär schon so das was mir passen würde... :-) )